Homeshopping

Meine Messer wurden allmählich stumpf.

In diesem Zustand waren sie nutzlos. Ich fuhr zum Baumarkt. Nur ein paar Reihen von den großen Müllsäcken entfernt gab es Schleifsteine, von denen ich mehrere sorgsam und geordnet in den Einkaufswagen lud. Ich bezahlte an der Kasse, schenkte der Verkäuferin ein freundliches Lächeln und stieg wieder ins Auto. Ein paar Städte weiter kaufte ich im dortigen Baumarkt Panzertape und Plastikfolie.
Als ich wieder nach Hause kam, öffnete ich mir eine Flasche Merlot und schaute von meinem weißen Sofa aus meine Lieblingssendung – den HSE24 Haushaltswarenverkauf. Eine Stunde hörte ich Sabrina Rummler zu, wie sie mir diesen Schwamm empfahl und dieses Fensterputzmittel lobpreiste. Von ihrer Auswahl an Küchenklingen war ich nicht enttäuscht worden.
Je länger sie redete, desto brutaler hatte ich ihr maßgeschneidertes Kostüm zerrissen. Ihre gebleachten Zähne sähen rot verfärbt unwiderstehlich aus. Ob sie ihr Schamhaar auch blond färbte? Ich nahm einen Schluck Wein und stellte das Glas vorsichtig auf den Untersetzer.
Fast hätte ich mich verschluckt. Ich beugte mich vor, um besser zu sehen. Ihr Fingernagel wies einen Makel auf. Nur ein Millimeter breites Stück glänzender Klarlack hatte sich losgelöst von ihrem perfekten Äußeren, kaum zu entdecken, und doch… Ich sah noch etwa drei Sekunden lang hin, dann musste ich den Fernseher ausschalten. Es verdarb mir die Laune. Ekelhaft.
Mit einem tiefen Seufzer stand ich auf. Mir war nun klar, was ich morgen tun musste. Ich zog um in den Lesesessel und trank meinen Merlot zu einigen unterhaltsamen Buchseiten aus. Ich spülte das Glas, wischte den blitzblanken Wohnzimmertisch ab und kuschelte mich in mein frisch gemachtes Bett, wo ich schnell in einen traumlosen Schlaf sank.
„So, Ihre Quittung. Und noch einen wunderschönen Tag, Frau Geroll. Passen Sie auf, die Straßen sind heute glatt.“ Ich lächelte.
„Ach, vielen Dank. Sie sind ja so ein zuvorkommender junger Mann.“ Frau Geroll wackelte aus der Apotheke.
Junger Mann, dachte ich und fuhr mir durch das von grauen Strähnen durchzogene Haar. Nette alte, verlogene Dame.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Noch eine Minute bis zum Feierabend. Ich zählte die 58 Sekunden herunter, dann schloss ich die Tür ab, ließ das Sicherheitsgitter herunter und ging nach hinten zum Medikamentenvorrat. Chloroform und Pipamperon, ein Beruhigungsmittel, wanderten in meine Tasche. Nachdem ich alle Oberflächen abgewischt hatte, stieg ich ins Auto und fuhr ohne Umwege zum HSE24-Studio im Industriegebiet von Ismaning bei München.
Es war kurz vor halb acht als Sabrina Rummler das Gebäude verließ und im schummrigen Licht der Straßenlaternen über den Parkplatz zu ihrem Auto stolzierte. Ich wartete schon und legte ihr in geübter Bewegung das in Chloroform getränkte Tuch über das mit Make-up eingekleisterte Gesicht. Sie wehrte sich nur kurz, dann konnte ich sie mitnehmen. Während ich sie im Kofferraum verstaute, bewertete ich im Geiste die Plastikfolien, die ich gekauft hatte. Eine neue Marke, reißfester.
Als ich mich an diesem Abend zum Fernsehen auf mein weißes Sofa setzte und meinen Merlot in perfekter Zimmertemperatur trank, dachte ich an das warme Blut von Sabrina Rummler, das mir wie eine Massage über die Finger gelaufen war. Ich betrachtete mein Weinglas und dachte an ihre geschwungenen Hüften und ihre nackte, bleiche Haut. An ihre gar nicht mehr kristallklaren Augen. Zumindest war ihr Fingernagel nun wieder makellos, von mir persönlich gefeilt und lackiert. Sie war in Perfektion gestorben, so wie alle vor ihr, dank mir.
Ich lächelte und nahm einen Schluck Merlot. Ob Frau Geroll wohl gut nach Hause gekommen war?